Bayerische Staatskanzlei
Franz-Josef-Strauss-Ring 1
80539 Muenchen
Anlage 1:
Nr. A I 2b-E 99-5017-1 München, 24.11.99
(Im Antwortschreiben bitte angeben)
Per E-mail
Herrn
Lars Friedrichs
Novellierung des Waffenrechts
Zu Ihrem E-mail vom 6.11.1999
Sehr geehrter Herr Friedrichs,
Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber dankt Ihnen für Ihr auf elektronischem Weg
übermitteltes Schreiben, in dem Sie die anstehende Novellierung des Waffenrechts und die
geplante bayerische Bundesratsinitiative zur Verschärfung des Waffenrechts ansprechen.
Derzeit arbeitet das Bundesinnenministerium am Referentenentwurf zur Novellierung des
Waffenrechts. Dieser Entwurf wird nach seiner Ausarbeitung den Ländern zur Stellungnahme
zugeleitet werden. Beim derzeitigen Verfahrensstand läßt sich noch nicht sagen, welche
Änderungen oder - wie von Ihnen befürchtet - Verschärfungen der Novellierungsentwurf
enthalten wird.
Als Konsequenz aus dem Amoklauf in Bad Reichenhall hat die Bayerische Staatsregierung
in der Kabinettssitzung vom 9.11.1999 beschlossen, eine Bundesratsinitiative zur
Verschärfung des Waffenrechts vorzulegen. Die bayerische Initiative soll als Eckpunkte
u.a. die Präzisierung der Vorschriften über das Aufbewahren von Waffen, die Einführung
eines "Kleinen Waffenscheins für Schreck-, Reizstoff- und Signalwaffen", ein
Verbot von Fall-, Spring- und Butterflymessern sowie eine effizientere Ausgestaltung der
Kontrolle der Zuverlässigkeit von Inhabern einer waffenrechtlichen Erlaubnis enthalten.
Eine Einschränkung des legalen Waffenbesitzes nach dem derzeit geltenden Waffengesetz ist
damit jedoch nicht verbunden. Nähe-
/
res können Sie dem beiliegenden Bericht aus der Kabinettssitzung vom 9.11.1999 entnehmen.
Damit Ihre Argumente auch im zuständigen Fachressort bekannt werden, hat die
Bayerische Staatskanzlei Ihr Schreiben zusätzlich dorthin weitergeleitet.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
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Anlage 2 (Kabinettsitzung):
1.Kabinett zieht Konsequenzen aus dem Amoklauf in Bad Reichenhall /
Bundesratsinitiative zur Verschärfung des Waffenrechts und für verbesserten Schutz von
Kindern und Jugendlichen vor Gewaltverherrlichung beschlossen
Bayern wird sich im Bundesrat für ein schärferes Waffenrecht und einen verbesserten
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewaltverherrlichung einsetzen. Als Reaktion auf
die tragischen Ereignisse in Bad Reichenhall, wo ein 16-jähriger Amokschütze vier
Menschen und sich selbst tötete sowie drei weitere schwer verletzte, beauftragte das
Kabinett Innenminister Dr. Günther Beckstein, noch in diesem Jahr eine entsprechende
Bundesratsinitiative vorzulegen. "Wir werden unsere bisherigen Bemühungen um eine
Verbesserung der öffentlichen Sicherheit im Waffenrecht und um einen wirksamen Schutz von
Kindern und Jugendlichen vor Gewaltverherrlichung in den Medien und vor sogenannten
"Killer-Spielen" wieder aufgreifen und erneut im Bundesrat zur Abstimmung
stellen", erklärte Beckstein. Sozialministerin Barbara Stamm unterstrich, die
Ereignisse in Bad Reichenhall zeigten, daß Kinder und Jugendliche noch besser vor
negativen und gefährdenden Einflüssen durch Film, Fernsehen, Videos und sonstige Medien
geschützt werden müßten. Auch wenn sich so furchtbare Einzelfälle wie in Bad
Reichenhall wahrscheinlich nie ganz ausschließen ließen, seien Bund und Länder hier
gefordert. Es sei davon auszugehen, so Beckstein, daß nach den furchtbaren Vorfällen in
Bad Reichenhall bei der Bundesregierung und den anderen Ländern mehr Bereitschaft als
bisher bestehe, die berechtigten bayerischen Anliegen zu unterstützen.
Die bayerische Bundesratsinitiative soll nach Angaben Becksteins folgende Eckpunkte
aufweisen:
- Verschärfung der Vorschriften über das Aufbewahren von Waffen,
- Einführung eines "Kleinen Waffenscheins für Schreck-, Reizstoff- und
Signalwaffen",
- Verbot von Fall-, Spring- und Butterflymessern,
- effizientere Ausgestaltung der Kontrolle der Zuverlässigkeit von Inhabern einer
waffenrechtlichen Erlaubnis,
- generelles Verbot der Verbreitung schwer jugendgefährdender Videofilme,
- Verbot sogenannter "Killer-Spiele", bei denen in menschenverachtender Weise
Tötungshandlungen an Mitspielern realitätsnah simuliert werden,
- verbindliche Altersfreigabe von Computerspielen analog der Regelung bei Film und
Video.
Im Waffenrecht fordert Bayern seit Jahren eine Verschärfung bzw. Präzisierung der
Vorschriften zur sicheren Aufbewahrung von Schußwaffen und Munition. Diese soll nicht
allein den Waffenbesitzern überlassen werden. Ziel ist, daß die Sicherheitsbehörden
durch Erteilung von Auflagen verbindlich die gesicherte Aufbewahrung von Waffen regeln.
Während die Behörden bisher lediglich im Einzelfall Auflagen zur Aufbewahrung machen
können, sollen sie künftig konkret vorschreiben, wie die Waffen aufzubewahren sind.
Beckstein: "Der Bund muß das Waffenrecht novellieren. Wir brauchen im Gesetz klare
rechtliche Standards für die sichere Aufbewahrung von Waffen." Auch der von Bayern
bereits 1997 im Rahmen einer Bundesratsentschließung geforderte sogenannte "Kleine
Waffenschein" für Schreckschuß-, Reizstoff- und Signalwaffen und das Verbot
besonders gefährlicher Hieb- und Stoßwaffen müsse endlich umgesetzt werden, forderte
Beckstein. Die Bestimmungen über die Kontrolle der Zuverlässigkeit von Inhabern einer
waffenrechtlichen Erlaubnis sollen überprüft und effizenter gestaltet werden. Außerdem
will die Staatsregierung bereits im Vorgriff auf die von Bayern seit langem geforderte
Verschärfung der gesetzlichen Aufbewahrungsvorschriften für Schußwaffen und Munition
die Ermessensausübung der Genehmigungsbehörden bei der Anordnung von Maßnahmen stärker
konkretisieren.
Daneben will die Staatsregierung eine bayerische Bundesratsinitiative für ein
generelles Verbot zur Verbreitung schwer jugendgefährdender Videofilme wieder auf die
Tagesordnung setzen. Sie war 1992 im Bundesrat am Widerstand anderer Länder gescheitert.
Nicht abfinden will sich Bayern auch mit der Ablehnung einer weiteren bayerischen
Gesetzesinitiative aus dem Jahr 1997 im Bundesrat, die sich gegen sogenannte
"Killer-Spiele" richtete. Justizminister Dr. Manfred Weiß: "Solche
Spielformen mit realitätsnahen Tötungshandlungen widersprechen der Werteordnung unserer
Gesellschaft, verharmlosen Gewalt, fördern Gleichgültigkeit gegenüber
Tötungshandlungen und bergen die Gefahr, daß Hemmschwellen abgebaut und die Anwendung
von Gewalt begünstigt wird. Bayern schlägt vor, die Veranstaltung sowie unter bestimmten
Voraussetzungen auch die Teilnahme an derartigen menschenverachtenden Spielen mit Bußgeld
zu bedrohen."
Außerdem wird sich die Staatsregierung dafür einsetzen, daß die verschärften
Bestimmungen gegen Gewalt im Fernsehen, die zum 1. April 2000 in Kraft treten, von allen
Medienanstalten und Strafverfolgungsbehörden konsequent durchgesetzt werden. Zum Kinder-
und Jugendschutz enthält der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der derzeit von den
Länderparlamenten ratifiziert wird, eine Reihe von Verbesserungen, die weitgehend auf
bayerische Vorschläge zurückgehen. So wird die Ausstrahlung indizierter Filme im
Fernsehen künftig grundsätzlich unzulässig. Sendungen, die die Menschenwürde
verletzen, werden generell untersagt. Auf bayerische Initiative hin wird der
Bußgeldrahmen bei Verstößen gegen den Rundfunkstaatsvertrag von bisher 500.000 Mark auf
eine Million Mark verdoppelt. "Verstöße gegen den Jugendschutz dürfen sich auch
wirtschaftlich nicht lohnen," betonte Staatskanzleichef Erwin Huber. Strafbar ist
künftig die Ausstrahlung von schwer jugendgefährdenden Sendungen. Diese neue
Strafbestimmung geht ebenfalls auf bayerische Initiative zurück. Auch im Bereich des
Internet wurde nach Angaben von Sozialministerin Stamm einiges erreicht: Mit dem
"Jugendschutz-Net" wurde von den Ländern eine zentrale Stelle eingerichtet, die
seit zwei Jahren zielgerichtet nach jugendgefährdenden Inhalten im Internet sucht und
diese nach Möglichkeit beseitigen läßt.
Ferner kündigte Stamm an, sich auf Bundesebene weiter für eine gesetzlich
verbindliche Alterskennzeichnung von Computerspielen analog der Regelung bei Film- und
Videofreigaben einzusetzen. Im Bereich inhumaner Computer- und Videospiele habe die
Staatsregierung bereits die Vereinbarung zur freiwilligen Selbstkontrolle mit den
Unternehmen der Unterhaltungssoftware gekündigt. "Die Unternehmen müssen mit ihren
Versprechen zu Selbstbeschränkung und freiwilliger Selbstkontrolle endlich Ernst machen.
Der Jugendschutz darf nicht länger ein Schattendasein führen. Verhandlungen für eine
neue Vereinbarung werden mit härteren Bandagen geführt werden müssen," erklärte
die Ministerin.
Die Staatsregierung sprach den Opfern des Amoklaufes und deren Angehörigen ihr
Mitgefühl aus. Innenminister Beckstein dankte allen Einsatzkräften und sprach
insbesondere Feuerwehr, Rettungsdiensten und Polizei, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um
Verletzte und Opfer zu bergen, seine Anerkennung aus.