3. Der Anteil der Delikte, an denen Schußwaffen in
irgend einer Form beteiligt waren, ist im Vergleich zur Gesamtkriminalität verschwindend
gering. Im Jahr 1997 wurden circa 2.250 Strafverfahren durchgeführt, bei denen es zur
Beschlagnahme einer Schußwaffe kam, erlaubnisfreie Schußwaffen inclusive.
4. Die Beteiligung erlaubnispflichtiger, legaler Schußwaffen liegt mit 109 Stück auf
sehr niedrigem Niveau, denn dies sind 4,5 % der Schusswaffendelikte und 0,000115 % aller
Delikte.
5. In Deutschland gibt es etwa 10.000.000 erlaubnispflichtige Schußwaffen in legalem
Besitz
6. In Deutschland gibt es etwa 20.000.000 erlaubnispflichtige Schußwaffen in illegalem
Besitz (Schätzung der Gewerkschaft der Polizei)
Ihrem Bericht könnte der ahnungslose und mit dem Thema privater Waffenbesitz nicht
vertraute Zuschauer den Eindruck entnehmen, als stelle der legale, private Besitz von
Schußwaffen in Deutschland eine immer größer werdende Bedrohung dar. Dies ist jedoch
nicht der Fall. Die Kriminalität mit Schußwaffen (also unter Verwendung von
Schußwaffen) hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen. Dies ist, wie
bereits eingangs aufgezeit, den Berichten über Waffen- und Sprengstoffkriminalität des
Bundeskriminalamts zu entnehmen. Diese liegen mir für die Jahre 1993 bis 1997 vor. Neuere
Zahlen sind derzeit nicht verfügbar, aber es spricht nichts dafür, daß sich an dem seit
fünf Jahren erkennbaren Trend nach unten etwas geändert haben sollte.
Etwas anderes gilt allerdings für die in illegalem Besitz befindlichen Waffen, die 2/3
des Bestandes der in "Privatbesitz" befindlichen Waffen in Deutschland
ausmachen, wobei die Zahl der in illegalem Besitz befindlichen Waffen in Deutschland auf
einer Schätzung der in Ihrer Sendung zu Wort gekommenen Gewerkschaft der Polizei stammt.
Die Zahl der illegalen Schußwaffen in Deutschland nimmt laufend zu und würde dies auch
nach einer Änderung des Waffengesetzes tun, da jenes nur die Sportschützen, Jäger und
Sammler treffen würde. Mit den in illegalem Besitz befindlichen Waffen werden 95,5 %
aller mit Waffen begangenen Straftaten verübt und einen Aufschrei der Empörung ähnlich
dem, der jetzt hinsichtlich des bestehenden Waffenrechts gelegentlich zu hören ist,
vermisse ich empfindlich bei der Vielzahl an mit Schußwaffen begangenen Delikten, deren
Herkunft und Besitz illegal sind. Dies nimmt nicht weiter Wunder, weil eine Änderung des
Waffengesetzes, ja sogar ein völliges Waffenverbot an der Kriminalität mit Waffen in
Deutschland buchstäblich nichts ändern würde.
Der entscheidende und graviendeste Mangel Ihrer Sendung besteht also darin, daß Sie
keinerlei Unterscheidung zwischen dem legalen und dem illegalen Waffenbesitz machen,
wiewohl beide Phänomene - ich möchte sie einmal als Personengruppen bezeichnen - die
oben beschriebenen, signifikanten Unterschied in Ihrem Verhalten, ihrer kriminologischen
Auffälligkeit und dem Gefahrenpotential aufweisen. Von den erwähnten Waffen, die sich in
bayrischen Asservatenkammern sammeln, ist der allergeringste Teil - das Zahlenverhältnis
dürfte dem Bundestrend entsprechend bei etwa 4,5 % liegen - aus legalem Besitz (also von
Sportschützen, Jägern und Sammlern) stammen.
Sie stellen in Ihrer Sendung auch die Behauptung auf, "jetzt" bewege sich
auch das Bundesministerium des Inneren und erwäge eine Waffenrechtsnovelle, ganz so, als
ob dies durch die Bluttat von Bad Reichenhall geschehen sei. Dabei wird eine Novellierung
des Waffenrechts bereits seit Mitte der siebziger Jahre erwogen. In den zuständigen
Ministerien sind seit dieser Zeit mehrere Entwürfe für eine Novellierung er- und
bearbeitet worden und zu den Erklärungen der Rot-Grünen Koalition bei Regierungsantritt
war von einer Novelle des Waffenrechts im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit die
Rede. Die gesetzgeberischen Aktivitäten um das Waffenrecht sind also - unabhängig von
tagesaktuellen Ereignissen - seit Jahrzehnten mit wechselnder Intensität vorhanden,
nehmen aber bei der inneren Sicherheit (zu recht) einen solch geringen Stellenwert ein,
daß es wohl auch aus diesem Grund bisher zu keiner Änderung gekommen ist. Ihre
Darstellung ist an diesem Punkt also sachlich falsch, während sie hinsichtlichd des
Gefahrenpotentials durch den privaten Waffenbesitz nur unvollständig und dadurch
irreführend ist.
Welcher Handlungsbedarf besteht daher ?
Sicher nicht der von Ihnen behauptete. Angesichts der Tatsache, daß vom legalen
Waffenbsitz in Deutschland keine bedeutende Gefahr ausgeht (sie ist im Verhältnis zu
Drogen - bis zu einige Hundert Todesfälle in Deutschland pro Jahr, Alkohol - bis zu
50.000 Todesfälle in Deutschland pro Jahr, Individualverkehr - etwa 8.000 Tote im Jahr,
250.000 Schwerverletzte im Jahr, davon 1/2 Kinder, davon 1/2 durch Alkoholkonsum
mitverursacht, nachgerade vernachlässigbar) kommt allenfalls eine formale Vereinfachung
des Waffenrechts in Betracht. Ich könnte Ihnen beipflichten, wenn gefordert würde, daß
die Aufbewahrungsregelungen klar und eindeutig gefaßt werden. Daß es aber einen
Unterschied ausmacht, ob der Vater des jugendlichen Täters aus Bad Reichenhall 19 Waffen
oder nur deren drei in seinem Besitz hatte, kann ich nicht recht nachvollziehen.
Ich würde mir wünschen, daß Sie bei künftigen Berichten über das Thema
"Waffen in Privatbesitz" die obenstehenden Fakten einmal nennen und
gegebenenfalls die Courage zu der Feststellung aufbringen, daß der legale Waffenbesitz in
Deutschland keine Bedrohung für die Sicherheit darstellt. Wie kann es kommen, daß Sie
einen nicht nur einseitigen, sondern auch handwerklich durchsichtig oder schlecht
erscheinenden Bericht fertigen und zur Ausstrahlung bringen ? Wenn Sie diesen noch mit der
Bemerkung des Moderators abschließen, jener könne nicht verstehen, was "diese
Waffen" (gemeint waren zwei zur "dramaturgischen Anreicherung" im Studio
vorhandene Gewehre) mit Sport zu tun hätten, macht dies deutlich, daß Ihnen der
Schießsport unsymphatisch sein mag, daß er Sie möglicherweise beängstigt. Jedoch meine
ich, daß Sie auch sich auch dann zu Objektivität durchringen sollten, sie sich
nötigenfalls gegen eigene Vorbehalte und Bedenken erkämpfen sollten, wenn Sie sich des
Themas "Waffenrecht" wieder einmal annehmen. Der Ruf nach Verboten hilft in
diesem Fall nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Becker
Rechtsanwalt