Hausdurchsuchung, Psychotest und die innere Sicherheit der
Gartenzwerge - Bemerkungen zum sächsischen Waffengesetzentwurf - von Andreas Skrobanek Gesetze entstehen manchmal auf merkwürdige Weise. Das (demnächst) novellierte Waffengesetz ist dafür ein schönes Beispiel. Ein bestehender Handlungsbedarf zur sinnvollen Vereinfachung des Gesetzes und zur Abschaffung unsinniger Restriktionen wird im Wege der Anlaßgesetzgebung zu einem Handlungsbedarf in Richtung restriktiveres Waffengesetz uminterpretiert. Falschdarstellungen in den Medien, die Hysterie zu einem gewinnbringenden Produkt machen, verweisen auf scheinbar notwendige Restriktionen, die ein Problem lösen - das so gar nicht besteht. Wer kennt schon die Statistiken des BKA? Was also lag für die Unionsopposition näher, als hier tätig zu werden? Wer Nachhilfe in politischer Taktik sucht, die in sich brillant und gleichzeitig fern von rationaler Sachpolitik ist, hier kann er sie finden. Was man sich als Regierung vor der Bundestagswahl nicht traute, weil man, wie sich nicht nur vor sondern auch nach der Wahl zeigte, auf jede Stimme angewiesen war - als Opposition kann man nun forsch zu Werke gehen. Wie gewinnt man nach der Wahl Wähler zurück, von denen man vor der Wahl nur die Stimmen wollte? Was macht man, wenn der ehemalige Oberstaatsmann plötzlich in der Öffentlichkeit als Gesetzesbrecher wahrgenommen wird? Wie täuscht man nach dem Bimbesskandal die wiedererlangte volle politische Handlungsfähigkeit vor? Es ist, man sieht es irgendwie am Ergebnis, ganz einfach: Man sucht sich ein Gebiet, in dem der potentielle Wähler Kernkompetenz vermutet, das thematisch fern ab von allen Krisensymptomen der Partei ist, das ein Dauerbrenner in den Medien ist und in dem sich leicht populistisch formulieren läßt: - Innere Sicherheit. Was man nun braucht, sind Themen aus diesem Gebiet, bei denen schon die Behauptung, daß Handlungsbedarf besteht, deren Beweis ist. Gemeinhin sind das Bereiche, in denen extreme Ereignisse berechtigte öffentliche Bestürzung hervorrufen können, am besten solche, in denen auf tragischste Weise Menschen um ihre Gesundheit oder ihr Leben kommen. Nur so läßt sich die populistische Berichterstattung von vornherein einkalkulieren und muß nicht erst über die politischen Freunde in der Medienlandschaft organisiert werden. Der Einzelfall wird entgegen jeder Statistik verallgemeinerbar, weil in ihm die höchsten Güter verletzt wurden. Thema sind also neben Kampfhunden, Paintball natürlich die Schützen. Eine exzellente Auswahl, denn auch auf den zweiten Blick scheinen diese Bereiche nichts miteinander zu tun zu haben. Was sie vergleichbar macht, wird erst deutlich, wenn es zu spät ist: In allen drei Bereichen bestehen lösbare Probleme, die durch schwarze Schafe in den Gilden verursacht wurden, im letztgenannten Bereich z.B. die sichere Waffenaufbewahrung. In allen Bereichen lassen sich nicht nur die Gegenstände des Hobbys sehr leicht stigmatisieren, sondern auch die tragenden Personen als Gruppe. So werden aus Hundehaltern "halbkriminelle und intellektuell minderbemittelte Gemeingefährliche", die nichts anderes im Sinn haben, als friedliche Bürger zerfleischen zu lassen. Aus Paintballsportlern werden "Möchtegern-Fremdenlegionäre", die etwas drum geben würden, Rambo sein zu dürfen. Aus Soldaten und Reservisten werden "potentielle Mörder". Aus Sportschützen werden "potentielle Amokläufer" und aus Jägern "Tiermörder". Alles Leute also, die "in ihrem tiefsten Innern gewalttätig" sind und die man restriktiv behandeln muß.- Zweckmäßigerweise plausibilisiert die Stigmatisierung der Gegenstände die Stigmatisierung der Personen und umgekehrt: Die Sportwaffe ist gefährlich, schon weil der Sportschütze ein "Waffennarr" ist; der Schütze ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, schon weil er mit "gefährlichen Gegenständen" umgeht. Die Auswahl dieser Themen ist auch deshalb taktisch exzellent, weil es auf ein Problem, das als gesamtgesellschaftliches gar nicht besteht, immer eine einfache Lösung gibt: das rechtliche oder faktische Verbot und - soweit dies nicht machbar ist - die Restriktion. Gesetzliche Restriktion und Verbot sind nach erfolgreicher Stigmatisierung nur noch ein Formulierungsproblem. Wenig Arbeit und viel Ergebnis. Die rechtspolitische Fragwürdigkeit läßt sich kaum mehr diskutieren, denn wo Handeln verboten ist, kann auch nichts passieren, denkt der deutsche Gartenzwerg, der nach dem Verbot seine innere Sicherheit gestärkt sieht. (Symptomatisch dafür ist die Diskussionsentwicklung beim Kampfhundproblem: Waren in der Kampfhundediskussion zunächst aus dem Waffenrecht bekannte Begriffe wie Polizeiliches Führungszeugnis, Erlaubnis zum Hundeführen, Sachkunde, Sachkundeprüfung und geistige und körperliche Eignung zu hören, so dauerte es nicht lange bis zum Beschluß eines Züchtungs- und Halteverbots. Der Einwand der Tierschützer, daß man damit ganze Rassen auf Dauer ausrottet, braucht die Politiker nach erfolgreicher Stigmatisierung nicht mehr zu kümmern. Die Union nimmt im übrigen Tierschutz ohnehin nicht sehr ernst, wie sich jüngst wieder bei einer erfolglosen Grundgesetzänderung zeigte. Und ganz wie in der Waffenrechtsdiskussion auch, wird nicht mehr nach dem sachgerechten mildesten Mittel gesucht, sondern nach dem juristisch sichersten Weg für ein faktisches Totalverbot.) Von welcher Seite man es auch betrachtet: Die bayerische und sächsische Waffengesetzintiativen sind taktisch geradezu genial. Politischer Gegendruck ist zunächst nicht zu erwarten: Zum einen, weil die Stigmatisierung der betroffenen Gruppen in der Gesellschaft widerspruchsloser bleibt, als etwa die der Ausländer - man erinnere sich an den dümmlichen Reim "Kinder statt Inder!". Zum anderen, weil man auch den eigenen Reihen nur eine Minderheit mit einer Waffengesetzverschärfung, einem Kampfhunde- bzw. einem Paintballverbot treffen würde, ein wirksamer und geschlossener Widerstand seitens der Parteibasis nicht zu erwarten ist. Wie üblich, geht man dabei zur Sicherheit nicht den Weg über die Bundespartei, sondern über die unionsgeführten Länder. Der Sportschütze, der Unionsmitglied ist, kann so in der demokratischen Meinungsbildung leicht übergangen werden. Drittens deshalb, weil auf Druck der Grünen und einiger Sozialdemokraten (Frau Däubler-Gmelin z.B.) sich die Koalition eine Waffengesetzverschärfung selbst auf die Fahne geschrieben hat. Gegen das Vorhaben an sich läßt sich von dieser Seite also wenig sagen, ja man kann die Regierung sogar noch treiben. Und so kann man dann auch unter "A. Zielsetzung" im sächsischen Waffengesetzänderungsentwurf lesen: "Das sächsische Staatsministerium des Innern hat mehrfach auf eine Umsetzung des Vorhabens gedrängt... Das Bundesministerium des Innern hat trotz vielfältiger Bitten ... bis zu diesem Frühjahr keinen Gesetzwurf vorgelegt. ... ist damit mit einer Einbringung des Gesetzentwurfes nicht vor Ende des Jahres 2000 zu rechnen. ... Eine solche weitere Verzögerung ist nicht hinnehmbar." Nicht hinnehmbar ist damit für die Union offensichtlich auch, daß Bundesinnenminister Schily vor Verabschiedung noch die Verbände hören will. Die ganze Lächerlichkeit solcher Polemik wird deutlich, wenn man sich Tempo und Ergebnisse der alten Bundesregierung vor Augen führt. Aber nicht nur die Unionspolitiker blicken ja bekanntlich ständig in die Zukunft. Also alles nur populistische Schaumschlägerei? Nein. Man mag bei den Schützen vielleicht sogar bewußt diesen Eindruck erwecken wollen, damit der Widerstand nicht allzu hart und organisiert wird. Doch im sächsischen Entwurf finden sich nicht nur sinnlose Überregulierungen sondern auch beispiellose rechtspolitische Verfehlungen. Nach sächsischer Vorstellung sollen eben nicht nur die Liste der verbotenen Gegenstände erweitert werden und ehemals freie Gas- und Schreckschußwaffen erlaubnispflichtig werden. Vorgesehen ist auch die praktische Abschaffung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung. Im sächsischen Entwurf ist zwar nur von einer Einschränkung dieses Grundrechts die Rede, aber das ist wenig glaubhaft. Die Kontrolle der Waffen- und Munitionsverwahrung im Wege der sog. "Nachschau durch die Behörde kann nur umfassend sein, wenn man nicht nur Art und ordnungsgemäßes Verschließen des Tresors, das ordnungsgemäße Verwahren aller Waffen im Tresor sowie die getrennte Lagerung von Waffen und Munition prüft. Umfassend und dem Sinn und Zweck der Regelung entsprechend, ist die sog. Nachschau logischerweise erst dann, wenn die Behörde auch prüft, daß nirgends sonst in der Wohnung Munition oder Waffenteile vorschriftswidrig - etwa in der Schreibtischschublade - gelagert werden. - Damit aber bekommt die sog. Nachschau, die ja im Kern nichts anderes als eine Verwahrkontrolle ist, den Charakter einer nicht im Einzelfall richterlich angeordneten sondern allgemein gesetzlich vorgeschriebenen Hausdurchsuchung. Das Nachschaurecht wird somit zum Hausdurchsuchungsrecht. Die rechtskundigen Schützen werden dies möglicherweise nun recht gelassen sehen, weil sich entgegnen läßt, daß eine Verwahrkontrolle in diesem Sinne verfassungswidrig ist. Die Verbandsleitungen mögen abwiegeln, daß schon alles nicht so schlimm kommen wird. Aber viele Sportschützen wissen es besser. Immer wieder hört man schließlich von eindeutigen Rechtsbrüchen der zuständigen Behörden mit der zynisch hinzugesetzten Kommentierung: "Sie können ja klagen." Nicht beispiellos aber doch ungeheuerlich ist eine weitere Regelung, die - geschickt formuliert und gut versteckt - bis jetzt kaum bemerkt wurde. Der sächsische Änderungsentwurf sieht neben einem geänderten und erweiterten § 5 nach altem Muster nun zusätzlich eine "Verschärfung der subjektiven Voraussetzungen an den Inhaber der Waffenbesitzkarte" durch die Einführung des Kriteriums der "persönlichen Eignung" in einem § 5a vor. Ähnlich dem derzeitigen Waffengesetz wird diese persönliche Eignung in die körperliche und geistige Eignung unterteilt. Die derzeitige Regelung lautet: "Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit im Sinne des Absatzes 2 Nr. 4 oder die körperliche Eignung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 begründen, so kann die zuständige Behörde verlangen, daß der Antragsteller ein amts- oder fachärztliches Zeugnis über seine geistige und körperliche Eignung vorlegt." Dies soll geändert werden in: "Der Antragsteller hat auf Verlangen ein Gutachten über seine geistige und körperliche Eignung vorzulegen. Das Nähere regelt das Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates." Die Überprüfung der geistigen, d.h. auch der psychischen Eignung, die bis jetzt die Ausnahme in begründeten Fällen ist, wird im sächsischen Gesetzentwurf zur möglichen Regel. So könnte etwa in der zu erlassenden Rechtsverordnung vorgesehen werden, daß der Antragsteller seine geistige und psychische Eignung einmal jährlich oder beim Erwerb der ersten und jeder weiteren Waffe nachzuweisen hat. Der Begründung des Gesetzentwurfes ist zu entnehmen, daß die Länderregierungen die Ärzte und Einrichtungen konkret bestimmen sollen, die entsprechende Gutachten anfertigen dürfen. Damit ist klar: Es soll ein Psychotest nach österreichischem Muster eingeführt werden. Die Kosten soll der Waffeninhaber tragen. Abschließende Regelungen werden im Gesetzentwurf vermieden, was der Willkür Tür und Tor öffnet, zumal die zuständigen Ärzte einzeln durch die Landesregierungen benannt werden sowie die Häufigkeit und die Anforderungen an den Schützen unklar bleiben. Man muß wohl davon ausgehen, daß angesichts des Ziels der Innenminister, die Anzahl der legalen Waffen im Volk zu reduzieren, vornehmlich solche Ärzte benannt werden, die Waffengegner sind. Bekanntermaßen ist es mit erheblichen Anstrengungen verbunden, Negativprognosen von Amtsärzten wieder aus der Welt zu schaffen, auch dann, wenn diese Negativprognosen in der Sache unbegründet sind. Doch damit nicht genug: Im § 5a des Gesetzentwurfs heißt es in Absatz 1 u.a.: "Die erforderliche persönliche Eignung im Sinne dieses Gesetzes besitzen Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie ... 3. auf Grund von in der Person liegenden Umständen mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren können." In der Begründung des Gesetzentwurfes ist hierzu klargestellt: "Nr. 3 erfaßt auch Fälle, in denen der Einsatz der Waffe gegen Leben oder Gesundheit des Berechtigten oder Dritter droht - einschließlich Selbstmordhandlungen." - Im Klartext: Von der im Gesetzentwurf generell unterstellten Unmöglichkeit, Waffen sorgsam zu verwahren, wenn Mitbewohner psychisch instabil sind, wird automatisch auf die unwiderlegliche persönliche Nichteignung des Waffeninhabers geschlossen. Nach § 30 des Gesetzentwurfes wäre damit die Erteilung einer Waffenbesitzkarte und einer Munitionserwerbsberechtigung zu versagen. Was das in der Praxis bedeuten wird, mag sich jeder selbst ausmalen. Fakt ist jedenfalls, daß damit die persönliche Eignung des Waffeninhabers an die persönliche Eignung Dritter geknüpft werden soll. An diesen Beispielen ist deutlich zu erkennen, wohin die oben erwähnten Stigmatisierungen führen: Grundrechtsverstümmelung, Unverhältnismäßigkeit, Verbot, Diskriminierung gesetzestreuer Bürger. Die taktische Brillanz der Politiker ändert daran überhaupt nichts. Der sächsische Entwurf offenbart eine tiefe Abneigung gegen den nicht kontrollierten und frei handelnden Bürger. Er zeigt, wie man geistiges Opfer seines eigenen Populismus wird. Viele Sportschützen, Reservisten und Jäger reagieren auf diese Entwicklungen mit Resignation. Das kann aber sicher nicht die Antwort sein. Die Antwort muß sein: Wer Freiheitsbeschneidungen zur Hauptlösung für tatsächliche und scheinbare Probleme macht, gehört in einer demokratischen Gesellschaft nicht an die Macht. Der unbescholtene Bürger kann solches diskriminierendes politisches Handeln nicht unterstützen. Weder politisch noch moralisch oder finanziell. Nicht in Wahlen oder durch eine weitere Parteimitgliedschaft. Es bleibt zu hoffen, daß das viele Parteimitglieder so sehen, in allen Parteien. Die traurigen Gestalten der politischen Klasse scheinen sich kaum noch durch Argumente von ihrem Ritt gegen die Windmühlen abhalten zu lassen. Um so wichtiger ist es, daß die Basis in den Verbänden anfängt, mit dem teilweise hochnotpeinlichen unterwürfigen Verhalten nach außen und obrigkeitsstaatliche Verhalten nach innen der Verbandsleitungen und einiger Vereinsvorstände vor Ort aufzuräumen. Es ist an der Zeit, daß die Verbände ihren Gartenzwergkrieg gegeneinander aufgeben und nicht nur politisch sondern auch sportlich zusammenarbeiten, statt Abweichler in den eigenen Reihen zu diskriminieren. Es wäre an der Zeit, daß sich die Verbände und Vorstände endlich in aller Deutlichkeit entschieden gegen die Verunglimpfungen aller Sportarten in der Politik verwahren. - Das wäre ein Engagement, das sich lohnen würde. Nicht nur im DSB und im BDMP. Wer nach dem sächsischen Gesetzentwurf auf Beschwerden im Wahlkreis, auf Protestbriefe an die Medien, auf Petitionen an die Abgeordneten oder wenigstens auf eine Mitgliedschaft im Forum Waffenrecht weiter verzichtet, kann sich kaum noch auf seine verfassungsmäßigen Freiheiten berufen. Er hat seinen Waffenbesitz - egal ob für Jagd oder Sport - nicht verdient. Wegen politischer Unmündigkeit. |
Andreas Skrobanek
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