|
"München, 16. Mai 2001 Beckstein:
"Waffenrechtsreform muss sinnvolle Balance zwischen Anforderungen der öffentlichen
Sicherheit und berechtigten Wünschen von Jägern und Sportschützen finden"
"Nach Auffassung der Bayerischen Staatsregierung sind die grundsätzlichen Ziele
einer umfassenden Reform des Waffenrechts darin zu sehen, dass die öffentliche Sicherheit
bewahrt und gestärkt wird, die Gesetzessystematik in diesem Bereich verbessert wird, für
den Bürger eine größere Transparenz hergestellt wird und die Verwaltung und die Bürger
von unnötigem Verwaltungsaufwand und anderen Erschwernissen entlastet werden",
betonte Innenminister Dr. Günther Beckstein heute im Ausschuss für Kommunale Fragen und
Innere Sicherheit des Bayerischen Landtags. Als grundsätzliche Position der bayerischen
Staatsregierung bezeichnete er dabei eine sinnvolle Balance zwischen den Anforderungen der
öffentlichen Sicherheit einerseits und den berechtigten Wünschen von Jägern,
Sportschützen und weiteren Bedarfsträgern andererseits.
Beckstein wies darauf hin, dass landes- und bundesweit illegale Schusswaffen eine immer
größere Rolle bei Straftaten spielen und sogar gegenüber den mit legalen Schusswaffen
begangenen Straftaten weit überwiegen. So waren zum Beispiel 1997 allein bei Mord- und
Raubstraftaten mit Todesfolge bundesweit 84 Schusswaffen sichergestellt worden, von denen
72 illegal und nur 4 legal in Besitz waren. "Diese Zahlen beweisen, dass für eine
pauschale Diffamierung von legalen Waffenbesitzern kein Raum ist", betonte Beckstein.
Um der hohen Anzahl illegaler Schusswaffen entgegenzuwirken, schöpft die bayerische
Polizei alle rechtlichen Möglichkeiten aus, um die gesamte Waffenkriminalität intensiv
zu bekämpfen. Dies geschieht insbesondere mittels verdeckter Ermittlungen und
konsequenter Schleierfahndung. Die tragischen Ereignisse der letzten Jahre wie in Bad
Reichenhall haben außerdem gezeigt, dass die eigentlichen Ursachen für Verbrechen mit
Waffen nicht allein im Waffenbesitz, sondern in einem ganzen Bündel von Ursachen wie z.
B. einem unkontrollierten Konsum von gewaltverherrlichenden und schwer jugendgefährdenden
Videofilmen und sogenannten Killerspielen zu suchen sind. "Wir versuchen daher, ein
Verbot derart menschenverachtender Spiele zu erreichen und verbindliche Altersgrenzen für
sonstige Computerspiele festzulegen, ähnlich den Regelungen wie bei Film und Video",
so Beckstein.
Der neue vom Bundesministerium des Innern am 14. März 2001 übersandte Arbeitsentwurf
zur gesamten Neuregelung des Waffenrechts zeigt laut Beckstein deutliche Fortschritte
gegenüber einem ersten, im letzten Jahr vorgelegten Entwurf, da zahlreiche sinnvolle
Änderungsvorschläge der Bundesländer und der Verbände Eingang in diesen Entwurf
gefunden hat. Als Beispiele hierzu nannte der Minister folgende, auf bayerische
Vorstellungen zurückgehende Bereiche:
- Ein obligatorischer Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse bei kurzzeitigem Wegfall des
Bedürfnisses, also zum Beispiel bei Krankheit ist nicht mehr vorgesehen, in besonderen
Fällen auch kein obligatorischer Widerruf bei endgültigem Wegfall des Bedürfnisses.
- Das Mindestalter für das Schießen von Kindern auf Schießstätten mit Luftdruckwaffen
ist von zwölf auf zehn Jahre herabgesetzt, um jugendliche Schützen schon früher an den
Wettkampfsport heranzuführen.
- Die Prüfung der Zuverlässigkeitsanforderun-gen ist bei Jägern und Sportschützen an
die gleichen Voraussetzungen geknüpft.
- Eine Befristung der Gültigkeit der Waffenbesitzkarte für den Besitz von Schusswaffen,
zum Beispiel bei Jägern und Sportschützen ist wieder aufgegeben worden.
- Das Problem des Führens von Schusswaffen auf dem Hin- und Rückweg zu einer
Brauchtumsveranstaltung im jetzigen Entwurf ausreichend gelöst. Brauchtumsschützen
dürfen nunmehr Schusswaffen im Zusammenhang mit Brauchtumsveranstaltungen
führen, ohne hierfür eine zusätzliche Erlaubnis beantragen zu müssen.
Darüber hinaus wurden weitere - auch bayerische - Forderungen zumindest ansatzweise
berücksichtigt, zum Beispiel
- die Einführung eines kleinen Waffenscheins für Gas- und Alarmwaffen,
- verbindliche Regelungen über die sichere Aufbewahrung von Schusswaffen,
- das Verbot von Wurfsternen und
- der grundsätzliche Fortbestand des Erbenprivilegs.
Beckstein: "Leider ist es jedoch nicht gelungen, alle Ungereimtheiten der
Vorgängerentwürfe zu beseitigen. Auch die vorgenannten, bisher unstreitigen Ziele einer
umfassenden Reform des Waffenrechts konnten mit dem vorliegenden Entwurf nicht in allen
Punkten erreicht werden. Unter der unnötigen Vielzahl von Detailregelungen im Gesetz
leidet die Transparenz und Lesbarkeit des Gesetzes enorm." Dem Bund ist es bisher
auch nicht gelungen, eine unbedingt notwendige Entlastung der Verwaltung zu erreichen.
"Ganz im Gegenteil: Einige Regelungen bringen der Verwaltung einen wesentlichen
Mehraufwand. Ich kann auch nicht erkennen, dass die Bürger im Gegensatz zum geltenden
Recht in ausreichendem Maße von unnötigen Erschwernissen entlastet werden." Als
wichtige Themenbereiche, die aus Becksteins Sicht effizienter regelbar wären oder die
unter Berücksichtigung der Belange der Bürger und der Verwaltung weniger bürokratisch
geregelt werden könnten, ohne die notwendigen Belange der öffentlichen Sicherheit
einzuschränken, nannte er:
- Die im Gegensatz zur derzeitigen Rechtslage neu geschaffene periodische Überprüfung
des Bedürfnisses bei Jägern und Sportschützen drei bzw. sechs Jahre nach dem legalen
Erwerb von Schusswaffen muss als unnötige Überreglementierung abgelehnt werden, da durch
andere Regelungen des Entwurfs bereits sichergestellt ist, dass die Genehmigungsbehörden
von dem Wegfall eines Bedürfnisses ausreichend erfahren.
- Im Bereich der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit bei extremistischer Betätigung ist
die vom Bund gefundene Lösung, die darauf abstellt, ob jemand unter Androhung oder
Anwendung von Gewalt extremistische Bestrebungen verfolgt, nicht ausreichend. Aus
Becksteins Sicht ist es zwingend notwendig, dass bereits die Verfolgung extremistischer
Bestrebungen für sich, also ohne Verbindung zu Gewalthandlungen, die waffenrechtliche
Regelunzuverlässigkeit zur Folge hat.
- Der Erwerb und Besitz von erlaubnispflichtigen Schusswaffen durch Sportschützen ist
nach dem gegenwärtigen Entwurf nicht ausreichend geregelt. Zum Beispiel ist das
Grundkontingent an mit geringeren Voraussetzungen erwerbbaren Sportwaffen im Gegensatz zu
den bisherigen Vorstellungen der Schützenverbände gegenüber dem Vorentwurf unnötig
beschränkt worden. "Die bayerische Staatsregierung wird sich im Interesse der
Sportschützen auch weiterhin dafür einsetzen, dass es bei der mit den
Schießsportverbänden gefundenen Konsenslösung eines erhöhten Grundkontingentes
verbleibt", so der Minister.
- Die vom Bund gefundenen Regelungen für Brauchtumsschützen sind unzureichend. Der
Entwurf des Bundes vom März dieses Jahres sieht zum Beispiel vor, dass
Brauchtumsschützen nur Einzelladerlangwaffen oder Böller erwerben und besitzen dürfen.
Beckstein: "Mit dieser Regelung wäre die Ausübung des Brauchtums zum Beispiel bei
den Bayerischen Gebirgsschützen nicht mehr möglich, da Gebirgsschützen für die
Ausübung ihres Brauchtums auch Repetierlangwaffen benutzen." Nachdem in dem Entwurf
auch praktikable Regelungen über den notwendigen Erwerb und Besitz erlaubnispflichtiger
Munition durch Brauchtumsschützen sowie das Führen von Hieb- und Stoßwaffen im
Zusammenhang mit Brauchtumsveranstaltungen fehlen, wird dies von Bayern gegenüber dem
Bund angemahnt.
- Das waffenrechtliche Erbenprivileg bleibt nach den Vorstellungen des Bundes zu Recht dem
Grundsatz nach erhalten. Der Entwurf verlangt jedoch, dass der Erblasser die Schusswaffe
berechtigt besessen haben muss, soll sie rechtmäßig auf den Erben übergehen. Bei dieser
einschränkenden Regelung besteht jedoch die Gefahr, dass für Waffen, deren Herkunft dem
Erben nicht eindeutig bekannt ist, von diesem im Zweifel keine Erlaubnis beantragt
wird." Dadurch könnte sich die Zahl der nicht registrierten, also illegalen, Waffen
erhöhen. Dies sollte nochmals überdacht werden", so Beckstein.
- Die Regelungen des Bundes für den Umgang mit Gas- und Alarmwaffen finden nicht die
Billigung der Bayerischen Staatsregierung. Die Einführung des sogenannten kleinen
Waffenscheins, also einer Erlaubnispflicht zum Führen von Gas- und Alarmwaffen, wird zwar
begrüßt. Darüber hinaus verlangt der Bund eine Meldepflicht für Gas- und Alarmwaffen.
Diese Regelung bringt für Bürger, Waffenhändler und insbesondere die Waffenbehörden
nicht zu leistende Mehrbelastungen, ohne dass dem ein erkennbarer Sicherheitsgewinn
gegenüberstehen würde. Alleine die Tatsache, dass die Waffenbehörde erfährt, welche
Personen Gas- oder Alarmwaffen legal besitzen, rechtfertigt den damit verbundenen
erheblichen Verwaltungsaufwand durch die Waffenbehörden in keiner Weise.
- Der Bund hat zumindest ansatzweise erstmals rechtsverbindliche Regelungen über die
sichere Aufbewahrung von Waffen festgelegt. Dies wird von Beckstein unterstützt.
Allerdings hält er die vom Bund gefundenen Regelungen für überzogen. Der im Ergebnis
als Mindestnorm für die Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen geforderte
B-Schrank würde bedeuten, dass zum Beispiel bereits Besitzer einer Luftdruckwaffe über
7,5 Joule oder eines Zimmerstutzens oder einer anderen Einzelladerlangwaffe einen
finanziell aufwändigen und mit einem Gewicht von bis zu 200 Kilogramm oder mehr
versehenen Stahlschrank erwerben müssten. Das Innenministerium hat anstelle dieser
überzogenen Regelung mit den bayerischen Jagd- und Sportverbänden einvernehmlich einen
detaillierten Vorschlag zur sicheren Aufbewahrung von Schusswaffen erarbeitet, der im
Grundsatz vorsieht, dass Einzellader- und Repetierlangwaffen in einem Stahlschrank der
Sicherheitsstufe A, besonders gefährliche Langwaffen, wie zum Beispiel Halbautomaten und
bis zu fünf Kurzwaffen in einem Stahlschrank der Sicherheitsstufe B und mehr als fünf
Kurzwaffen in Stahlschränken höherer Sicherheitsstufen aufbewahrt werden müssen."
|