Fachgespräch
Waffenrecht |
|
Unter Beteiligung einiger Mitglieder des Deutschen Bundestages, des Thüringer Innenministers und einiger Mitglieder des Thüringer Landtages fand am 19.01.2001 ein Fachgespräch zum Thema "Waffenrechsnovelle" in Eisenach statt. Das Fachgespräch kam auf Initiative des Wartburg-Schützenkreises zustande. Seitens der Sportschützen waren neben Vertretern des Wartburg-Schützenkreises Vorstandsmitglieder des gastgebenden Schützenvereins Eisenach und ein Vertreter des Forum Waffenrecht anwesend. Weiter wohnten der Präsident des Thüringer Schützenbundes, der Referent Waffenrecht des Thüringer Schützenbundes sowie Vertreter des Landessportbundes dem Fachgespräch bei. Die lebhafte Diskussion, in der neben einigen Aspekten der geplanten Novellierung der grundsätzlichen Frage nachgegangen wurde, ob für eine "Novellierung" des Waffenrechts überhaupt politischer Handlungsbedarf bestehe, wurde durch die folgende Rede des Geschäftsführers des SV Eisenach 1990 eV eröffnet: Sehr geehrter Herr Innenminister, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Vertreter des Schießsports und des Forum Waffenrecht, ich möchte zunächst allen Anwesenden für die Bereitschaft danken, gemeinsam ein Fachgespräch über das Thema Waffenrecht zu führen und ich möchte dafür danken, daß mir in diesem Rahmen die Gelegenheit eingeräumt wird, für den Wartburg-Schützenkreis, aber auch als betroffener Bürger - gewissermaßen für mich selbst - zu sprechen. Das heutige Gespräch steht in einem aktuellen Kontext: Das Waffenrecht soll novelliert werden. Es gibt den Referentenentwurf eines neuen Waffengesetzes, der zwischen zeitlich den Bundesländern - dort maßgeblich den Innenministerien - zugeleitet worden sein soll, um diesen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Insofern betrachte ich den heutigen Gedankenaustausch als Anlaß, einige Informationen und Anregungen mitzugeben, die in der nicht ganz einfachen Materie eine Entscheidungshilfe sein können. Im vorvergangenen Jahr hatte es bereits einen Referentenentwurf gegeben, den die alte Bonner und Berliner Koalition noch vorbereitet hatte. Der Freistaat Thüringen hatte seinerzeit dem Bundesinnenminister das volle Einverständnis mit dem Entwurf mitgeteilt. Ich würde mir wünschen, daß das Inneninisterium des Freistattes anläßlich des aktuellen Anlasses den Bundesinnenminister deutlich machen würde, daß mit ihm unsinnige Verschärfungen des Waffenrechts, die am Ziel der Schaffung innerer Sicherheit wirkungslos vorbeigehen, nicht zu machen sind. Schon als ich 1992 mit dem Schießsport begann, hieß es, wegen "steigender Gewalt" sei eine Verschärfung des Waffenrechts erforderlich. Ich wurde als Betroffener immer häufiger im Rahmen von Diskussionen und Gesprächen mit der Thematik konfrontiert und es kristallisierten sich allmählich zwei zentrale Thesen heraus, die von denjenigen Benutzt wurden und werden, die möglichst rigorosen Verschärfungen des Waffenrechts das Wort reden. Da wäre einmal die steigende Gewalt zu nennen: In der veröffentlichten Meinung und auch von Seiten der Innenministerkonferenz ist zu vernehmen, die Gewaltbereitschaft nehme stetig zu, die Gewaltdelikte nähmen stetig zu und - dies ist im Zusammenhang mit einer Regelung des Waffengesetzes von besonderer Bedeutung - der Waffeneinsatz bei Straftaten nehme ständig zu. So äußerte sich die Innenministerkonferenz in einem Beschluß vom 06.06.1997, sie beobachte "mit größter Sorge .... das Ansteigen des Waffeneinsatzes bei Straftaten". Die Schlagworte von der "steigenden Gewaltbereitschaft" und dem "immer schnelleren Griff zur Schusswaffe" sind inzwischen häufig kolportiert worden: - von der Landesregierung in
Nordrhein-Westfalen, Dies scheint dazu geführt zu haben daß "steigende Gewaltbereitschaft" und "der immer schnellere Griff zur Waffe" anscheinend von niemandem mehr hinterfragt werden. Die These von der "steigenden Waffengewalt" ist, wie es scheint, durch Kolportage zum Dogma geronnen und das scheint manchen Innenministerien bereits als Entscheidungsgrundlage zu genügen. Dabei wäre die Überprüfung ganz einfach: Man schaue sich nur die Polizeiliche Kriminalstatistik der letzten Jahre an und vergleiche die jährlichen Zahlen, die für Straftaten mit irgendeiner Form der Schußwaffenverwendung gemeldet werden. Diese Zahlen sind nämlich in den letzten fünf Jahren rückläufig. Ich will einmal einige Zahlen der polizeilichen Kriminalstatitik des BKA nennen: Zählte man im Jahre 1996 bei 6.647.598 angezeigten Straftaten noch 21.950, bei denen in irgendeiner Form Schusswaffen verwendet worden sein sollen, sind die Zahlen in den anschließenden Jahren mit 21.729 (1997), immer weiter zurückgegangen. Dies bedeutet im genannten Zeitraum einen Rückgang von ungefähr 10 Prozent. Bedenken Sie, daß man in der alten Bundesrepublik mir damals etwas über 60 Millionen Einwohnern bereits im Jahre 1971 schon beinahe 19.000 solcher Delikte zählte. Wenn wir heute, mit einer um 20 % gestiegenen Bevölkerung und einem um 1/3 größeren ge meinsamen Staatsgebiet und einer zwischenzeitlich gestiegenen Anzahl an Schusswaffen immer noch in diesem Bereich liegen, so kann ich nur feststellen, daß der angeblich "besorgniserregend steigende Waffeneinsatz bei Straftaten" und der angeblich "immer schnellere Griff zur Schußwaffe" sich als bloße Schimaren, als Popanz herausstellen. Ursache hierfür können entweder nur Unkenntnis oder - was schlimmer wäre - bewußte Irreführung der Öffentlichkeit sein. Auf Seiten der Medien ist man inzwischen Schlimmes gewöhnt und ich treffe sicher auf Zustimmung, wenn ich anmerke, daß man dort gelegentlich recht verantwortungslos mit allen möglichen Informationen oder Schein-Informationen umgeht. Einräumen muß man sicherlich, daß es auf dem Gebiet der Körperverletzungsdelikte Zunahmen gegeben hat. Es scheint aber fraglich, ob man der sogenannten "Gewalt auf den Schulhöfen" mit einer strengen Behandlung der Sportschützen beikommen kann. Die Sportverbände insgesamt und darunter mit seinen 1.6 Millionen Mitgliedern der Schießsport tragen eher umgekehrt durch ihre Jugendarbeit dazu bei, daß Junge Leute Gemeinschaft, fairen Wettbewerb und nicht zuletzt Demokratie am praktischen Beispiel erleben und mitgestalten können. Mit den oben erwähnten Zahlen des Bundeskriminalamtes könnte man schon so kühn werden und einmal die provokante Frage stellen: Wo ist denn eigentlich der politische Hand lungsbedarf für eine Novellierung des Waffengesetzes ? Aber gehen wir einmal noch einen kleinen Schritt weiter und Fragen uns: Einmal angenommen, wir machten es wie die Eng länder, entwaffneten die legalen Besitzer von Schusswaffen und beobachteten, was danach geschieht. Die Frage läßt sich am praktischen Beispiel von England jetzt schon beantwort den und diese Antwort fällt nicht schmeichelhaft für Tony Blairs Bemühen aus, Großbritannien einen "sicheren Platz" zu machen. Wir haben jetzt ein Großbritannien vor uns, in dem die Gewalt auf den Straßen, auch diejenige mit Schusswaffen, einen traurigen Höchststand erreicht hat. Ich weiß dies nicht aus irgendwelchen obskuren Quellen, sondern vom britischen Home Office und den amtlichen britischen Statistiken. Es gibt Steigerungen bei den Gewaltdelikten auf der ganzen Linie. Und wir haben ein England, das in seinem schon beinahe panischen Streben nach absoluter Sicherheit allmählich beginnt, seine alten verwurzelten freitheitlichen Traditionen über Bord zu werfen. Die Vision von Orwells "Großem Bruder": In England wird sie zur Wirklichkeit, seit buchstäblich hundertausende von Videokameras jedem Bürger auf Schritt und Tritt über die Schulter schauen. Und was nützt die Aufgabe dieses Stücks Intimität und Freiheit ? Glaubt man den britischen Kriminalstatistiken, hat es nichts eingebracht. Ich komme nach diesem Exkurs aber wieder auf unser Land zurück. Es ist erst einmal festzustellen, daß wir mit dem öffentlichen Waffenrecht nur etwa ein Drittel der in Deutschland in Privathand vorhandenen Schusswaffen erreichen würden. Zwei Drittel der scharfen Privatwaffen sind nämlich in Händen von Leuten, die die Behörden gar nicht erst um eine Erlaubnis angegangen haben, sondern sich gleich illegal mit einer Waffe versorgten. Es sollen in Deutschland 20 Millionen Stück sein. Diese Zahl klingt beinahe unglaublich, aber sie ist immerhin einmal von der GdP geäußert worden. Die Zahl der illegalen Schußwaffen - ich will sie einmal so nennen - ist aber auch garnicht so sehr ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist vielmehr ihre Beteiligung an den mit Schusswaffen begangenen Straftaten. Dank der unermüdlichen statistischen Azuswertungsarbeit des Bundeskriminalamtes können wir heute mit Fug und Recht sagen, daß die legalen und erlaubnispflichtigen Schußwaffen an den Schußwaffendelikten so gut wie nicht beteiligt sind. Die Beteiligungsquote liegt bei den mit Schußwaffen begangenen Delikten bei etwa vier Prozent. Sie ist ebenfalls seit mehreren Jahren im Absinken begriffen. Nachdem ich die amtlichen Statisitken unseres Bundeskriminalamtes mit den erwähnten Ergebnissen durchgesehen hatte, bin ich heute bei der ernüchternden Erkenntnis angelangt, daß die gesamten gesetzgeberischen Bemühungen um ein neues Waffengesetz letzten Endes für das Bestreben nach mehr innerer Sicherheit nutzlos sein werden. Wir könnten mit dem bestehenden Recht gut weiterleben, ohne daß unser Land dem Untergang entgegenginge. Demgegenüber bleiben die Straftaten der Täter mit illegalen Waffen, die jährlich zig Menschen das Leben kosten, bei den derzeitigen gesetzgeberischen Bemühungen völlig unbeachtet. Der Gesetzgeber geht gegen die kleinere Gruppierung von Waffenbesitzern vor, die er im Lande hat und er geht noch dazu gegen diejenigen vor, die strafrechtlich nicht in Erscheinung treten. Mir wäre bei dem Gedanken wohler, der Gesetzgeber machte sich einmal Gedanken über die Fälle - und da spreche ich als Praktiker, denn ich bin unter anderem Strafverteidiger - in denen ein jugendlicher Schläger, der einen Mitschüler brutal zusammenschlägt und dem am Boden liegenden noch mit einem stumpfen Schlagwerkzeug gezielt Verletzungen im Gesicht beibringt, mit einer Verwarnung und 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit davonkommt. So, meine Damen und Herren, brauchen Sie sich über steigende Gewalt auf den Schulhöfen nicht zu wundern. Entweder, man fährt die harte Linie und sperrt den Übeltäter eine Zeitlang ein, um ihm deutlich zu machen, daß er eine Grenze überschritten hat, oder die Gesellschaft ist bereit, dasjenige an Kapital und Arbeit zu investieren um in diesem konkreten Fall dem Fehlgeleiteten auf einen anderen Weg zu helfen. Ich sage aber deutlich, daß ich darunter keinen Segeltörn auf Kosten des Steuerzahlers meine. Lassen Sie mich zum Abschluß noch eine kleine Anmerkung machen: Bei der Vorbereitung von Gesetzgebungsvorhaben ist es üblich, Sachverständige einzuschalten, wenn es sich um Spezialmaterie handelt. Das gilt umso mehr, wenn es um Gesetz geberische Vorhaben geht, die Grundrechte, Freiheitsrechte betreffen können. Im vorliegenden Gesetzgebungsvorhaben sehe ich die in Artikel 2 des Grundgesetzes versicherte all gemeine Handlungsfreiheit ebenso betroffen, wie das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG). Was läge also näher, die Frage nach Möglichkeiten, einen Gewinn an innerer Sicher heit zu erzielen, einmal von kriminologischer Seite sachverständig untersuchen zu lassen. Wenn ich bedenke, daß es der Bundesrepublik Deutschland viel Geld wert war, eine Anzahl von Spezialisten mit der meines Erachtens überflüssigen Aufgabe zu beschäftigen, die Schriftsprache zu reformieren, so kann und will ich nicht akzeptieren, daß die hier anstehenden Fragen aus der Perspektive von kriminologischen Laien beurteilt werden, von deren Mehrzahl ich annehmen muß, daß sie sich noch nicht einmal aus den allge mein zugänglichen Quellen informiert haben. Ich kann auch nicht akzeptieren, daß über unsere Freiheiten aufgrund einer Sicht geurteilt wird, die nicht mehr und nicht weniger ist, als die Sicht der Sensationsmedien. Ich nehme alle hier Anwesenden selbstverständlich hiervon aus, ich denke, ich habe meinen Dank für die Bereitschaft, an einem Gedankenaustausch im Rahmen eines Fachgesprächs teilzunehmen, schon zum Ausdruck gebracht. Herr Innenminister, sehr geehrte Abgeordnete, denken Sie an meine Worte und erinnern Sie sich, wenn Sie einmal in ir gendeiner Form zur Entscheidung über das deutsche Waffen recht berufen sind. Erteilen Sie überzogenen Ver- und Gebo ten eine klare Absage, erteilen Sie der politischen Hysterie, die um sich zu greifen scheint, wie ein Lauffeuer, ebenso eine Absage. Ich danke Ihnen. |
|